Lucy McKenzie

“Inspired by an Atlas of Leprosy”

20. November 2015 - 23. Januar 2016
Eröffnung am Freitag, dem 20. November 2015, 19-21 Uhr

Immer wenn in kreativen Angelegenheiten das Präfix “Inspiriert von …” verwendet wird, tut sich eine moralische und rechtliche Grauzone auf. Ist der Gegenstand der Inspiration obskur, dann wird seine Verwertung mit einer aufklärerischen Motivation gerechtfertigt, da einem breiteren Publikum etwas Bedeutungsvolles aufgezeigt werde. Handelt es sich um eher fragwürdiges Material, kann die Bezugnahme darauf getrost als kritisch statt als komplizenhaft klassifiziert werden, insbesondere bei Präsentationen im Museums- oder Galerienkontext. Aneignung und Kolonisierung sowie deren Parallelen in der Natur sind das Thema von “Inspired by an Atlas of Leprosy”.

Für diese Einzelausstellung, ihrer vierten in der Galerie Buchholz, hat Lucy McKenzie die Ausstellungsräume in der zweiten Etage mit ihrer Installation in einen simulierten privaten Wohnort verwandelt - einer typische “Wohnen und Arbeiten”-Inneneinrichtung, wie man sie mit jungen Kulturunternehmern assoziiert. Die Angehörigen dieser sozialen Gruppe sind durch ihren Lebensstil charakterisiert, bei dem sich die traditionellen Grenzen zwischen Arbeit, Freizeit und Privatsphäre aufgelöst zu haben scheinen, während ihre Werte sich in den Räumlichkeiten widerspiegeln, die sie bewohnen. Hier jedoch ignoriert die simplifizierte Einrichtung der Wohnung diese Stildoktrin, da zugunsten von Patriziermarmor und Insignien der Bürokratie auf blanke Ziegel und Sitzsäcke verzichtet wird. Die Schwellen zwischen geschlechtsspezifisch geprägten Räumen (wie etwa das Boudoir oder der Dienstbotenbereich) sind gegeneinander verschoben; ihre erotische Aufladung wird umgelenkt.

Wie der imaginäre Bewohner dieses Apartments seinen Lebensunterhalt verdient, verbleibt im Ungefähren, ohne dabei hinter einem Schleier vorgespiegelter Transparenz verborgen zu sein. Mit ihrer Narration könnte die Einrichtung an Finanzwirtschaft, Industrie, Bildungswesen oder Religion denken lassen. Wie dem auch sei, die Ausbeutung liegt in der Mischung. Marmor kann Autorität symbolisieren und beschwört Interieurs aus einer Epoche, als den Herrschenden unbegrenzte Mittel zur Verfügung standen. Der Stein steht auch für die Kostbarkeit natürlicher Rohstoffe. Hier sieht McKenzie Parallelen zum Verlangen der Kultur nach dem Echten - politische und ökologische Alternativen, Subkulturen und die historische Avantgarde stellen oftmals bloße Inhalte dar, die, ausgebeutet und aufpoliert, durch Appropriation in Werken der zeitgenössischen Kunst instrumentalisiert werden.

In den Jahren 2007/08 hat McKenzie an einer Privatschule für dekorative Malerei in Brüssel studiert; die kommerziellen Techniken, die sie dort erlernt hat, waren für ihr Werk seither von zentraler Bedeutung. Sie verwendet Trompe-l’œils für die Marmor- und Holzstrukturen sowie in den Quodlibet-Pinwänden und Tischkompositionen. Es sind zumeist “gefundene” Kompositionen, die auf scheinbar so beliebige Quellen wie Büros, Kirchen, ein Wartezimmer und Studentenunterkünfte zurückgehen. Die arbeitsintensive Fertigungsweise und insbesondere die Annäherung an die Werte der Handwerkskunst machen das Quodlibet zu einem immanent konservativen Idiom. Doch genau dieser Konservativismus ermöglicht das gespannte Verhältnis zwischen Form und Inhalt und verleiht ihm seine subversive Kraft.

Lucy McKenzie

“Inspired by an Atlas of Leprosy”

20 November 2015 - 23 January 2016
opening reception on Friday, 20 November 2015, 7-9 pm

A moral and legal grey area is opened up when the prefix ‘Inspired by …’ is used in matters creative. If the subject of inspiration is obscure, the motives to exploit it are justified as educational, revealing to a wider public something of merit. If the material is somehow questionable, the relationship can be safely classified as critical rather than complicit, especially when it is presented in the context of a museum or gallery. Acquisition and colonisation, and their parallels in the natural world, are the theme of “Inspired by an Atlas of Leprosy”.

In this, her fourth solo exhibition with Galerie Buchholz, Lucy McKenzie has taken over the upstairs gallery to install a simulation of a private dwelling - the quintessential ‘live-work’ interior associated with young cultural entrepreneurs. The members of this social group are characterised as having lifestyles in which the traditional boundaries between industry, leisure and intimacy have apparently dissolved, and in which their values are reflected in the spaces they inhabit. The simplified décor of the apartment here ignores this stylistic doctrine, eschewing bare bricks and beanbags for patrician marble and the trappings of bureaucracy. The thresholds between genderised spaces (the boudoir or ‘below stairs’ for instance) are misaligned; their erotic charge redirected.

How the imagined owner of this studio apartment makes a living is unclear, yet it is not hidden behind a screen of phoney transparency. The narrative of the décor suggests perhaps banking, manufacturing, education or religion. No matter which, exploitation is in the mix. Marble can symbolise authority, evoking interiors constructed in an age when those in power had limitless means at their disposal. It also represents the prized status of natural resources. This, for McKenzie, has parallels with culture’s appetite for the genuine - political and ecological alternatives, subculture and the historic avantgarde, are often mere content to be mined and polished, instrumentalised through appropriation into works of contemporary art.

McKenzie studied at a private school for decorative painting in Brussels in 2007- 2008, and the commercial techniques she learned there have been central to her work ever since. She employs trompe l’oeil for the marble and wooden structures, and in the quodlibet pin-boards and table compositions. These include ‘found’ compositions, derived from sources as random as offices, churches, a waiting room and student accommodation. Its labour-intensive mode of production, especially its alignment of value with craftsmanship, makes the quodlibet an innately conservative idiom. Yet it is this conservativism that facilitates the tense relationship between form and content, and which gives it its subversive force.