Larry Johnson
6 November 1998 -
5 December 1998

Eröffnung am Freitag, dem 6. November
von 19-22 Uhr

Larry Johnson

 

6 November - 5 Dezember 1998
Eröffnung am Freitag, dem 6. November, von 19-22 Uhr

 

Für die Arbeit von Larry Johnson ist Sprache wesentlich. Text ist besonders in seinen früheren Arbeiten nicht untergeordnetes Element wie bei Anleitungen, Kommentaren, Headlines etc., sondern gestaltendes Moment und zugleich zentrales Motiv. In vielen Bildern stellt das Zusammenspiel von Schrift und Bild ein Gleichgewicht zwischen Sehen und Lesen her. Kunst, die vorwiegend mit Text arbeitet, gilt als tendenziell trockenes, eher akademisches Terrain. Es liegt an der narrativen Struktur und der Suggestivität der Episoden und Textfragmente, aber vor allem an ihrem galligen Humor, daß die meisten von Johnsons bisherigen Arbeiten solche Vorurteile widerlegen.
Johnson ist mit Bildern bekannt geworden, auf denen - wie auf einer Buchseite - mehr oder weniger abgeschlossene Geschichten wiedergegeben sind. So schildert eine Arbeit von 1988, “Untitled (John-John and Bobby)”, einen bizarren Pornodreh in einer Einkaufspassage. Die beiden Protagonisten, John-John und Bobby, sind eine giftige Hommage an die gleichnamigen Brüder aus dem Kennedy-Clan - bekanntlich einem Hort amerikanischer “Männlichkeit”. Hier betreibt Johnson eine Kartografie von Los Angeles (dem Schauplatz seiner Arbeiten), die in ihrer Atmosphäre an eine andere schwule (LA)-Kunstikone - den grandiosen Film “Hustler White” von Bruce La Bruce - erinnert.
In der Serie der sogenannten “Winterlandschaften”, die Anfang der neunziger Jahre entstand, ist eine Verschiebung in der Text-Bild­Relation zu beobachten. Text wird hier als Bild im Bild inszeniert: In arkadisch unschuldigen Schneewelten, die an Disney-Trickfilme oder japanische Holzschnitte erinnern, stehen Texttafeln, wie sie in manchen Hollywoodschinken in die Handlung einführten; hier präsentieren sie jedoch ätzende Prosahäppchen, die den Täuschungen und Abgründen des Daseins gewidmet sind. Wie in einer TV­Talkshow wird in etlichen Episoden ein imaginäres Publikum mit neurotisch-narzißtischen Monologen traktiert, etwa in der Arbeit “Jesus + I” (1990): Eine Person unbestimmten Geschlechts teilt begeistert Details über die Anwendung einer neuen Kosmetikserie mit. Die frostige Unberührtheit der Landschaft kontrastiert mit der campen Exaltiertheit und dem Sarkasmus der Texte.
Im Lauf der Neunziger wurden Johnsons Texte immer fragmentarischer und knapper. Auch in den bei Daniel Buchholz ausgestellten Arbeiten - Johnsons erste Einzelausstellung in Europa seit 1992 - tauchen nur noch einzelne chiffrenartig verwendete Worte bzw. Namen auf, die aber nicht wie sonst direkt mit einem Bildmotiv interagieren, sondern isoliert neben ein Bildelement gestellt sind.
Mochten Johnsons kleinformatige, klassisch gerahmte Bilder zunächst unverfänglich und geradezu harmlos erscheinen, so zeigte sich nach eingehender Betrachtung, daß hier ein dichtes Knäuel möglicher Bedeutungen mit vielen verwickelten Fäden zu entwirren war. Die Arbeiten setzten sich jeweils aus zwei, drei oder vier blockartig gehängten Tafeln zusammen. Im Gegensatz zu Johnsons üblicher Technik, handkolorierte Vorlagen fotografisch zu reproduzieren, arbeitete Johnson hier direkt mit Acryl auf Plastikfolie.
Transparente Plastikfolien als Bildträger ermöglichen, wie bei einem Zeichentrickfilm, mehrere Schichten übereinanderzulegen und zu einem Gesamtbild zu addieren. Jede Bildfolie ist Träger eines dummyhaften Motivs, das an Werbegrafik, z.B. an ein Firmenlogo erinnert. Werden Text-und Bildfolie übereinandergelegt, entspricht die Anordnung der Worte auf der Textfolie dem Muster der Bildvorlage. Somit entsteht der Eindruck inhaltlicher Zusammengehörigkeit ähnlich wie bei Betitelung oder Beschriftung. In der Ausstellung werden Bild-und Textfolien jedoch getrennt nebeneinander gehängt und somit der Entstehungsprozeß eines Trickfilms umgekehrt. Diese Trennung der Folien unterstreicht die Tatsache, daß der vermeintlich bezeichnende Inhalt der Worte gar nicht zu den Motiven “paßt”. Diese Inkompatibilität aktiviert die Dynamik zwischen Sprach-und Bildfolie.
Im Mittelpunkt der vierteiligen Arbeit “Nathan Lane (Untitled)” etwa steht ein antiquiert wirkendes, totemistisches Neonzeichen, das in der Architektursprache der Stripmalls für “Nightlife” und “Glamour” steht. Das Gegenstück dazu ist mit “Yes”, “Nathan Lane”, “No” beschriftet. Nathan Lane ist ein Schauspieler, der in einer amerikanischen TV-Serie einen Schwulen spielt, selbst aber beharrlich Hetero ist. Offenbar geht es hier zunächst um Klatsch: Ist er, oder ist er nicht? Ein weiteres Bild in der Größe einer Autogrammkarte trägt jedoch Johnsons eigene Signatur. Es scheint, als wolle Johnson sich hier selbst zum Gegenstand einer Erörterung seiner sexuellen Orientierung machen. Dieser gefakete Bekenntnischarakter erinnert an die Lust am Geständnis und an die Selbststigmatisierung seiner frühen “Winterlandschaften”. Johnsons Name gerät in eine merkwürdige “Konkurrenz” zu dem des Schauspielers, die man als Wunsch nach Identifikation mit der Celebrity und den mit ihr assoziierten Gerüchten verstehen könnte. Diese Selbstironie bleibt jedoch nicht auf Johnson beschränkt: Ein viertes, monochromes Bild könnte Platz für jede beliebige Signatur bereithalten. Mit dem Hin-und-Herzappen zwischen diversen sexuellen bzw. geschlechtlichen Identitäten beschäftigt sich auch die zweiteilige Arbeit “HMR (Untitled)”. Ein Bild zeigt eine Skulptur des amerikanischen Künstlers David Smith. Smith - ein Freund Pollocks, Motherwells und de Koonings - repräsentiert in idealer Weise den archetypischen Bildhauer aus der heroischen Phase der amerikanischen Moderne. Wie seiner Biografie zu entnehmen ist, war er ein harter Arbeiter, der dem Bild eines melancholischen Individualisten und integren Handwerkers ziemlich nahe kam. Seine Skulpturen entsprechen ihrerseits klischeehaft der abstrakten, modernistischen Formensprache der fünfziger Jahre. Die abgebildete Plastik, die aus rekombinierbaren Teilen zusammengesetzt ist, hat Ähnlichkeiten mit einem strauchelnden Menschen. Der Modulcharakter der Arbeit korrespondiert mit ihrem Gegenüber, einer Folie, auf der der Titel eines Schwulenmagazins paraphrasiert wird: Von “Hot Male Review” werden jeweils die Gegenstücke zu Hot= “Not Cold”, Male = “Not Female”, Review = “Not Criticism” abgeleitet. Analog zu geschlechtlicher Identität fungiert hier Sprache als Baukasten, der gleichwertige und instabile Konstruktionen möglich macht. Das holzschnittartige Entweder-Oder, das Johnson vorzuschlagen scheint, bringt jedoch ein ironisches Element in das labile Gleichgewicht geschlechtlicher Identitätskonstruktionen und führt Sprache als unzureichendes, geradezu karikierendes Instrument vor. Den fünfziger Jahren - dem Jahrzehnt, in dem die Verlogenheit bzw. Verschwiegenheit über Sex bekanntlich die Regel und Kategorien wie “männlich” oder “weiblich” unhinterfragt waren - wird ein unangenehmes Moment zur Seite gestellt. Einen Bogen in die fünfziger bzw. sechziger Jahre spannt auch die vierteilige Arbeit “Perino’s Front, Perino’s Rear (Untitled)”. “Perino’s” ist ein ehemaliger Promi-Hangout, Ex-Tummelplatz diverser Hollywoodszenen und heute ein beliebter Drehort. Die Vorderansicht zeigt ein Gebäude mit Vielfachen architektonischen Referenzen: Mexikanische Stileinflüsse und ein Hauch von sechziger Pucci-Glam ergeben einen künstlichen Mix, der der heutigen Nutzung als Kulisse anschaulich entgegenkommt. Die Rückansicht des Gebäudes zeigt hingegen den “nackten” Baukörper ohne stilistisches Lametta - ein funktionaler und eher abweisender Bau, der die einladende Fassade als Attrappe entlarvt. Durch die Überlagerung und Addierung (bzw. Verdeckung und Verhüllung) aufeinanderfolgender Bauschichten entsteht der Eindruck eines urbanen Perpetuum Mobile. Die in der Architektur von LA manifesten zeitlichen Schichten sind auch ein Dokument permanenten Verschwindens und damit der unaufhörlichen Konstruktion von Erinnerung. Vor dem Hintergrund dieser Diskontinuität und Ortlosigkeit könnte man “Perino’s” auch als Metapher für Isolation und Schutzlosigkeit deuten.
Dieses Wechselspiel zwischen Verhüllen und Aufdecken, zwischen Entblößung und Identifikation, die simultane, scheinbar neutrale Präsentation beider Seiten der Medaille, ist das Leitmotiv in Johnsons neueren Bildern. Das kreisende, tautologische Moment gibt den Arbeiten eine melancholische, Noir-artige Brechung.

 

Thomas Eggerer

Larry Johnson

installation view
Galerie Buchholz, Cologne 1998

Larry Johnson

“The Study (Untitled)”, 1998
litho film, vinyl paint, photostat
2 panels, each 43 x 22,5 cm

Larry Johnson

“Nathan Lane (Untitled)”, 1998
litho film, vinyl paint, photostat
4 panels, 49,5 x 28,4 cm,
12,5 x 28,5 cm

Larry Johnson

“Extended Family (Untitled)”, 1998
litho film, vinyl paint, photostat
2 panels, each 41,2 x 26 cm

Larry Johnson

“Times (Untitled)”, 1998
litho film, vinyl paint, photostat
2 panels, each 34,6 x 49,5 cm

Larry Johnson

“One Down, Three Across (Untitled)”, 1998
litho film, vinyl paint, photostat
3 panels, 49,4 x 25,3 cm,
17,6 x 25,1 cm

Larry Johnson

installation view
Galerie Buchholz, Cologne 1998

Larry Johnson

“Perino’s Front, Perino’s Rear (Untitled)”, 1998
litho film, vinyl paint, photostat
4 panels, each 25,4 x 48 cm
installation view
Galerie Buchholz, Cologne 1998

Larry Johnson

“Perino’s Front, Perino’s Rear (Untitled)”, 1998
litho film, vinyl paint, photostat
4 panels, each 25,4 x 48 cm
detail

Larry Johnson

“Perino’s Front, Perino’s Rear (Untitled)”, 1998
litho film, vinyl paint, photostat
4 panels, each 25,4 x 48 cm
detail

Larry Johnson

“HMR (Untitled)”, 1998
litho film, vinyl paint, photostat
2 panels, each 39,7 x 24 cm