Imagine
opening reception on Friday,
13 September, 6-9 pm
Anne Imhof
Imagine
13. September - 26. Oktober 2019
Eröffnung am Freitag, den 13. September, 18-21 Uhr
Imhofs Kunst ist nicht kritisch. Sie inszeniert keine metaphorischen Wiederholungen gesellschaftlicher Gewalten als ästhetische Distanzhalter. Imhof sichert sich nicht ab. Sie und ihre Kollaborateur*innen treten nicht als beobachtende Darsteller*innen vorgefundener Herrschaftseffekte auf. Sie arbeitet mit ihnen. Sie arbeiten durch sie. Imhof findet ihre künstlerischen Formen in den Elementen unserer unabweisbaren Gewalt(en). In deren Überladung eröffnet sie eine ebenso grenzenlose wie unhaltbare Formenvielfalt, Serien von Fetischen zwischen Begehren und Beherrschung. Maßlosigkeiten werden hier als Sehnsuchtsformen getestet, als Sog, als Sucht, als Sex. In all der Grandiosität, die Imhofs Szenerien haben, reinszeniert sie nie vorausgesetzte Abstraktionen, nicht Metaphern eines kapitalen Fetischismus, sondern Allegorien einer Entmodernisierung. Es gilt Walter Benjamins allegorische Losung “Methode ist Umweg”. “Imagine” ist voll von gestauter Hitze, von Engpässen, von fieberhaften Ungegenständlichkeiten. Die Performer*innen bewegen sich im Radius eines in sie eingesunkenen Horizonts. Die Sicherheitsleute wachen nicht über ein Innen oder Außen, sondern über eine Schwelle, in die hier alles untergeht.
Inmitten der Galerieräume versenkt Imhof den Ereignishorizont einer unzumutbaren Alltäglichkeit - durch uns, ihre Träger*innen, hindurch. Sie lässt den Horizont kollabieren, verteilt ihn auf Malereien, wiederholt ihn als Newscast Label, zwingt ihn als Testbilder von Katastrophen in die Senkrechte, hebt ihn für ihre Performer*innen auf Hochsitze, serviert ihn uns auf Tabletts. Der Horizont beherrscht einen Bildraum, dessen Flächen gemalt sind, aber auch gesprayed, gedruckt, geritzt. Es sind Zeichnungen, die nicht den Körper der Malerin, sondern dessen Fallhöhen ästhetische Rahmen geben: nicht Ausdruck, nicht Abdruck, sondern Imhofs Selbstanwendung. Die Fetische in diesem Raum umschließen keinen vorausgesetzten Selbstfetisch. Imhof versenkt sich. Und auch die Handlungsarmut der Performer*innen markiert vor allem ihre Differenz zu den Metaphern endloser moderner Reproduktionszusammenhänge und ihrer heute so angegriffenen Reproduzierbarkeiten. Die Gegenständlichkeit jeder von Imhofs noch so abstrakten Zeichnungen und Malereien sind nicht eine weitere letzte modernistische Zuckung, nicht Melancholie eines nicht enden wollenden Verlustes, sie sind nicht schäbige Witze über die Figurationen, in die lebendige Körper gezwungen sind. Ihre Gegenständlichkeit existiert am Siedepunkt. Sex als Form. Begehren nicht ausgelöst von Aneinanderreihungen abrufbarer Attribute bürgerlicher Attraktivität, fokussiert auf die Körper der Reproduktionsordnung, Begehren, das sich zuspitzt und abbricht, als Sammlung aus Fetischformen, denen die eigene Reproduktion abhanden kam, deren Horizont keine Perspektive eröffnet, sondern sie schließt ohne zu enden, ohne auf ein Ende zuzulaufen, der Hitze staut.
Imhof belastet sich selbst, ihre Kollaborateur*innen und uns, ihre Rezipient*innen, damit, keinen Fetischismus, sondern Fetische auszulegen. Readymades werden zu Drohgebärden, Red Bull, Cola, Spritzen, Bongs und Helme werden von austauschbaren Attributen eines gesellschaftlich verallgemeinerten Warenkörpers zu Fetischen eines revidierten Ursprungs. “Imagine” innerhalb einer restmodernen Gesellschaft, deren Brutalismen heute um so vieles systemischer erscheinen, als die Ideale, an die sich ihre Verteidiger*innen mit aller Gewalt klammern. Mit aller Gewalt gegen die, die sie nicht leben können. Die sie noch nie leben konnten. Imhofs unideale Kunst ist kein Defätismus, sondern ein Engagement, in dem ihre und unsere Brutalismen leben. Aus dem Privileg der kritischen Distanz, das der moderne Künstler mit seinen Rezipienten teilte, wird bei Imhof die Ästhetik eines Sogs, einer Kette aus Fetischen eines Ursprungs, der eingebettet ist in einen versenkten Horizont. “Imagine” bietet keine Beruhigung. Zwar sind Imhofs Gesten, ihre Symbole, die Zeichen, die in ihren Inszenierungen die Individuationen der Performer*innen bilden, lesbar, trivial, kitschig. Aber die Nähe, die sich aus Imhofs entsicherter Distanzlosigkeit ergibt, ist nicht demonstrativ. Eher ist sie melodramatisch ohne Ende.
Kerstin Stakemeier
Anne Imhof (*1978) lebt und arbeitet in Berlin und Frankfurt am Main. “Imagine” ist ihre dritte Ausstellung in der Galerie Buchholz und ihre erste in unseren Berliner Räumen. Anne Imhofs Bilder, Skulpturen und Performances werden seit 2012 im Rahmen großer Einzelausstellungen in internationalen Ausstellungsorten wie der Tate Modern, London (2019), dem Art Institute of Chicago (2019), dem Hamburger Bahnhof, Berlin (2016), der Kunsthalle Basel (2016), dem MoMA PS1, New York (2015), dem Carré d’Art - Musée d’Art Contemporain de Nîmes (2014), und im Portikus, Frankfurt am Main (2013) gezeigt, sowie in zahlreichen Gruppenausstellungen, darunter das MMK Frankfurt (2019 und 2014), das Tai Kwun Center, Hong Kong (2019), La Biennale de Montréal (2016), der Palais de Tokyo, Paris (2015), und das Centre Pompidou, Paris (2015)).
Anne Imhof vertrat Deutschland 2017 auf der Biennale di Venezia, wofür sie den Goldenen Löwen als besten nationalen Beitrag erhielt. 2017 erhielt sie den Absolut Art Award und 2015 den Preis der Nationalgalerie. Sie war Gastprofessorin und Stipendiatin der Akademie der Bildenden Künste in München (2015) und Visiting Artist an der Städelschule, Frankfurt am Main, der Yale University, New Haven und am ArtCenter College of Design, Pasadena.
Anne Imhof
Imagine
13 September - 26 October 2019
opening reception on Friday, 13 September, 6-9 pm
Imhof’s art is not a critique. It does not stage metaphorical repetitions of societal violence as a means of maintaining an aesthetic distance. Imhof does not protect herself. She and her collaborators do not appear as observant performers acting within the effects of pre-existing power structures. She works with them. They work through them. It is in elements of the undeniable violence of ourselves and our states that Imhof finds her artistic forms. In overloading them, she opens up a formal diversity that is both limitless and unstoppable; series of fetishes that operate between desire and dominance. Excesses are tested out here as forms of desire; as compulsion, as addiction, as sex. For all of the grandiosity of Imhof’s scenes, she never stages presupposed abstractions; they are not metaphors of capitalist fetishism but allegories of a process of demodernization. Walter Benjamin’s allegorical slogan can be applied here: “Method is digression.” “Imagine” is full of built-up heat, bottlenecks, and feverish abstraction. The performers move within the radius of a sunken horizon. The security personnel guard neither the interior nor the exterior, but the threshold in which everything is submerged.
Within the gallery rooms, Imhof sinks the horizon of an unbearable everydayness - through us, its bearers. She collapses the horizon, spreads it across paintings, repeats it as a Newscast Label, forces it into a vertical position in the form of test images of catastrophes, elevates it on high seats for her performers, serves it to us on trays. The horizon dominates a pictorial space whose surfaces are painted but also sprayed, printed, scratched. They are drawings that do not give an aesthetic framework to the painter’s body itself, but to the heights from which it falls: neither an expression nor an impression, but an act of self-administration on the part of the artist. The fetishes in this room do not encircle any presupposed self-fetish. Imhof immerses herself. The lack of action on the part of the performers also and above all marks their difference to metaphors of endless modern reproductive contexts and their reproducibilities (as so often attacked today). The figurative elements present in each of Imhof’s drawings, however abstract these may be, do not represent a further and final modernist twitch or the melancholy of an interminable loss, and are not meant as sick jokes about a form of figuration that forces living bodies to participate in it. The works’ figuration exists at their flashpoints. Sex as form. A desire that is not triggered by the juxtaposition of retrievable attributes of bourgeois desirability, focused on the bodies of the reproductive order, but which peaks and breaks, as a collection of fetish forms lost in their own reproduction, whose horizon opens no perspectives but instead closes them, without ending and without leading to an end, a horizon that holds within it a build-up of heat.
It is the task of interpreting fetishes, rather than fetishism, with which Imhof burdens herself, her collaborators, and us as her recipients. Readymades become threatening gestures, and Red Bull, cola, needles, bongs, and helmets are transformed from exchangeable attributes of a socially generalized body of goods to fetishes of a revised origin. “Imagine” operates within a residually modern society whose brutalisms seem today to be in so many ways more systemic than the ideals its defenders cling to with all their strength. With all their strength directed against those who cannot live in that society. And who were never able to live in it. Imhof’s unideal art is not defeatist, but an engagement, one that is home to both her brutalisms and our own. From the privilege of critical distance, as shared by the modern artist and their audience, Imhof creates an aesthetic of pull, a chain of fetishes for an origin that is embedded in a sunken horizon. “Imagine” offers no reassurance. Imhof’s gestures, her symbols, and the signs that individuate the performers in her stagings are in fact all readable, trivial, kitsch. But the intimacy that arises from the artist’s detached lack of distance is not demonstrative; rather, it is endlessly melodramatic.
Kerstin Stakemeier
Anne Imhof (*1978) lives and works in Berlin and Frankfurt am Main. “Imagine” is her third exhibition at Galerie Buchholz and her first at our Berlin space. Her paintings, sculptures, and performances have been shown internationally since 2012. Imhof’s work has been the subject of monographic exhibitions at Tate Modern, London (2019), The Art Institute of Chicago (2019), the German Pavilion at the 57th International Art Exhibition - La Biennale di Venezia, (2017), Hamburger Bahnhof, Berlin (2016), Kunsthalle Basel (2016), MoMA PS1, New York (2015), Carré d’Art - Musée d’Art Contemporain de Nîmes (2014), and Portikus, Frankfurt am Main (2013). Her work has also been featured in numerous group exhibitions, including MMK Frankfurt (2019 and 2014), Tai Kwun, Hong Kong (2019), La Biennale de Montréal (2016), Palais de Tokyo, Paris (2015) and Centre Pompidou, Paris (2015).
She represented Germany at the 2017 Venice Biennale, where she was awarded the Golden Lion for Best National Participation, and won the Absolut Art Award (2017) and the Preis der Nationalgalerie (2015). Imhof was a guest professor and artist-in-residence at the Akademie der Bildenden Künste, Munich (2015) and a visiting artist at Städelschule, Frankfurt am Main, Yale University, New Haven, and the ArtCenter College of Design, Pasadena.
Anne Imhof
“Untitled (Imagine)”, 2019
powder coated steel, foam mattress, ceramic bong
228 x 200 x 125 cm
&
“Sunset, 030”, 2019
oil on canvas, tape
292 x 164 cm
installation view Galerie Buchholz, Berlin 2019
Anne Imhof
“Untitled (Imagine)”, 2019
aluminium, acrylic
250 x 175 cm
installation view Galerie Buchholz, Berlin 2019
Anne Imhof
“Untitled (Imagine)”, 2019
aluminium, acrylic
3 parts, each: 210 x 150 cm
installation view Galerie Buchholz, Berlin 2019
Anne Imhof
“Untitled (Imagine)”, 2019
powder coated steel, foam mattress, dartboard, dart pins, E-pipes
228 x 200 x 125 cm
&
“Untitled (Imagine)”, 2019
dartboard
Ø 68 cm
installation view Galerie Buchholz, Berlin 2019
Anne Imhof
“Untitled (Imagine)”, 2019
powder coated steel, foam mattress, dartboard, dart pins, E-pipes
228 x 200 x 125 cm
detail
Anne Imhof
“Untitled (Imagine)”, 2019
powder coated steel, foam mattress, dartboard, dart pins, E-pipes
228 x 200 x 125 cm
installation view Galerie Buchholz, Berlin 2019
Anne Imhof
“Untitled (Imagine)”, 2019
dartboard
Ø 68 cm
installation view Galerie Buchholz, Berlin 2019
Anne Imhof
“Untitled (Imagine)”, 2019
aluminium, acrylic
2 parts, each: 250 x 175 cm
installation view Galerie Buchholz, Berlin 2019
Anne Imhof
“Untitled (Imagine)”, 2019
mattress, shackles, Relentless Energy Drink can
8 x 320 x 100 cm
Anne Imhof
“Untitled (Imagine)”, 2019
mattress, shackles, Relentless Energy Drink can
8 x 320 x 100 cm
detail
Anne Imhof
“Untitled (Imagine)”, 2019
mattress, shackles, Relentless Energy Drink can
8 x 320 x 100 cm
detail
Anne Imhof
“Untitled (Imagine)”, 2019
assemblage of 3 paintings,
each oil on canvas
overall dimensions 290 x 396 cm
installation view Galerie Buchholz, Berlin 2019
Anne Imhof
“Untitled (Imagine)”, 2019
dartboard
Ø 68 cm
installation view Galerie Buchholz, Berlin 2019
Anne Imhof
“Untitled (Imagine)”, 2019
bronze cast, scale
unique
scale: 2,5 x 7 x 10,7 cm,
head: 6 x 8 x 12 cm
Anne Imhof
“Untitled (Imagine)”, 2019
bronze cast
unique
height: 26.5 cm, Ø 44.5 cm
installation view Galerie Buchholz, Berlin 2019
Anne Imhof
“Untitled (Imagine)”, 2019
bronze cast, 4 glass bongs
unique
dimensions variable
installation view Galerie Buchholz, Berlin 2019