“The President of the Republic of Dreams”
curated by François Piron
opening reception on Friday,
June 28th, 7-9 pm
Raymond Roussel
“The President of the Republic of Dreams”
kuratiert von François Piron
28. Juni - 24. August 2013
Eröffnung am Freitag, dem 28. Juni, 19-21 Uhr
Raymond Roussel (1877-1933), Autor von La Vue (1904), Impressions d’Afrique (1909) und Locus Solus (1913), zählt noch immer zu den unbekanntesten und geheimnisvollsten Autoren des letzten Jahrhunderts, und dies obwohl sein wichtiges und tiefgründiges Werk großen Einfluss auf die Kreise der literarischen und künstlerischen Avantgarde des 20. Jahrhunderts hatte, in denen Roussels Ideen weite Verbreitung fanden.
Zu den zehn Werken, die er zu Lebzeiten vollendete, gehören Gedichte, Romane in Versform, Erzählungen und Theaterstücke. Mit äußerster Anstrengung war Roussel immer darum bemüht, eine Welt aus dem Nichts zu erschaffen, in der die “Vorstellungskraft alles ist” und ihm die Realität beim Schreiben nicht im Weg stand.
Versunken in seinem außergewöhnlichen poetischen Vorhaben und von seiner eigenen Begabung überzeugt, war das erste Drittel des 20. Jahrhunderts für Roussel ein Balanceakt zwischen zwei Welten. Einerseits schenkte Roussel politischen Umbrüchen und ihren ästhetischen Auswirkungen keinerlei Aufmerksamkeit. Andererseits war es ihm unbegreiflich, dass die akademische Welt, für die er zu schreiben glaubte, seinen Werken gegenüber gleichgültig blieb und die Bühnenadaptionen seiner Stücke sogar als skandalös empfand.
Bis 1914 gehörte Raymond Roussel der Pariser High Society an, wie sie Marcel Proust in seinen Romanen beschrieb. Im Salon der Mutter fanden regelmäßig große Festlichkeiten und Kostümbälle statt, von deren Theatralität man einen guten Eindruck bekommt, wenn man die Fotografien der Familie Roussel in ihrer ausgefallenen Abendgarderobe betrachtet. Das gesellschaftliche Leben weckte Roussels Bewusstsein auch dafür, dass alle sozialen Beziehungen eine Form der Repräsentation darstellen und dass seine Homosexualität ihn in eine Distanz zu eben dieser Gesellschaft versetzt. Mehr und mehr widmete Roussel sein Leben seiner literarischen Arbeit.
Um seine unaufhaltsame Vorstellungskraft lenken zu können, griff Roussel auf ein besonderes Spezialverfahren zurück, das auf einem Kombinieren von homophonen Wörtern und doppeldeutigen Ausdrücken basierte. Die Reise zwischen diesen Worten, die bewusst am Anfang und am Ende eines Textes platziert wurden, lieferte Roussel den gewünschten Rahmen für seine literarische Arbeit. Dieser Rahmen wurde gefüllt mit seinem unerschöpflichen Material in Form von unerwarteten Bildern und Erzählungen, in denen Zitat und Erfindung unzertrennlich verwoben sind.
Obwohl er dies erst spät erkannte, hatte Roussel noch zu Lebzeiten eine leidenschaftliche Anhängerschaft unter den Künstlern und Dichtern verschiedenster Generationen. Marcel Duchamp besuchte 1912 zusammen mit Guillaume Apollinaire und Francis Picabia eine Theateraufführung von Impressions d’Afrique, die er später als unvergessliches Erlebnis beschrieb und sie als Hauptinspiration für seine Arbeit Das große Glas bezeichnete. Für die Surrealisten war Roussel derjenige Schriftsteller, der es schaffte, “sich aus dem Bereich des Realen in den des Konzeptuellen zu entziehen” (Michel Leiris).
Nachdem Roussels Arbeit zwischenzeitlich fast in Vergessenheit geraten war, wurde sie in den 1960ern mit neuem Interesse rezipiert und erfuhr besonders durch die Studien Michel Foucaults und des Collège de ‘Pataphysique neue Aufmerksamkeit. Roussel war stets darauf bedacht, so wenig wie möglich aus seinem Leben Preis zu geben und galt für viele als Vorbild eines Künstlers, der im Herzen des Labyrinths seiner eigenen Arbeit zu Hause ist. Nachdem in den späten 1980ern überraschend Kisten mit Archivmaterial aufgetaucht waren, kann Roussels Werk heute in einem neuen Licht betrachtet werden: Die Ausstellung versammelt eine Reihe bisher unveröffentlichter Textdokumente und Paraphernalien, sowie Fotografien, die in Bezug zu
Raymond Roussels Leben und Schaffen stehen.
Die Ausstellung beginnt mit Publikationen und Dokumenten zu Raymond Roussels künstlerischen Einflüssen und einem Kinderportrait Roussels der französischen Gesellschaftsmalerin Madeleine Lemaire, die heute im wesentlichen für ihre Illustrationen zur ersten Buchpublikation Freuden und Tage von Marcel Proust bekannt ist und bei der Roussels Mutter Marguerite Roussel dieses Porträt 1882 in Auftrag gab. Marguerite Roussel spielt eine wesentliche Rolle im Leben ihres Sohnes. Neben der hier erstmals ausgestellten Auswahl von Fotografien, die Raymond Roussel während seines ganzes Lebens aufgenommen hatte und die die Roussel Familie zu Hause, in den Ferien, in privaten und sozialen Situationen zeigen, gibt auch der Auktionskatalog “Collection Roussel” von 1912, der die spektakuläre Versteigerung der umfangreichen Kunstsammlung von Roussels Mutter nach deren Tod dokumentiert, Aufschluss auf das soziale und ästhetische Umfeld Raymond Roussels. Des weiteren werden alle Buchpublikationen Roussels zu Lebzeiten, sowie Dokumentation zu den Bühnenadaptionen seiner Bücher gezeigt.
Ein Aquarell des Bestattungsunternehmens Lecreux Frères von 1931, zusammen mit Vorstudien und Korrespondenz, dokumentieren Roussels exzentrische Pläne für sein eigenes Grab auf dem Pariser Friedhof Père-Lachaise. Manuskriptseiten von Wie ich einige meiner Bücher geschrieben habe, dem in Roussels Auftrag 1935 posthum veröffentlichten Schlüsseltext zum Werk des Künstlers, werden hier erstmals gezeigt.
Ein Teil der Ausstellung ist darüberhinaus der besonderen Rezeption des Werks Roussels durch Marcel Duchamp und die Surrealisten gewidmet. Im Auftrag von Harald Szeemann für seine Ausstellung Junggesellenmaschinen in der Kunsthalle Bern sind 1975 Le Diamant und La Hie von Jacques Carelman als skulpturale Umsetzungen von Beschreibungen aus Roussels Werk Locus Solus entstanden.
Die Materialien und Exponate der Ausstellung wurden von François Piron, dem Kurator der Ausstellung, Daniel Buchholz und Christopher Müller zusammengestellt.
Wir möchten dem Fonds Raymond Roussel in der Bibliothèque Nationale de France, Caroline Caradec, Patrick Besnier, Claude de Flers, dem Estate von Jacques Carelman, Michael Trier und Dr. Reiner Speck danken.
Raymond Roussel
“The President of the Republic of Dreams”
curated by François Piron
28 June - 24 August 2013
Opening reception Friday, 28 June, 19-21
Raymond Roussel (1877-1933), the author of The View (1904), Impressions of Africa (1909) and Locus Solus (1913), is still one of the least-known and most mysterious writers of the 20th century, despite the fact that his profound and often subterranean influence spread far among the literary and artistic avant-gardes of the 20th century.
In the ten works he published during his lifetime — poems, novels in verse, narratives or plays— he made supreme efforts to create a world from scratch where “imagination is everything”, with nothing real to get in the way of the writing. Rapt in a singular poetic enterprise and convinced of his own genius, he passed through the first third of the 20th century like a man poised between two worlds, paying no attention to political upheavals and their aesthetic consequences, but never quite understanding why the academic public he thought he was writing for showed such indifference to his works or why they were so scandalized by his dramatic adaptations for the stage.
Until 1914, Raymond Roussel lived in the Parisian high society, as described in Marcel Proust’s novels. In his mother Marguerite Roussel’s salon, it was all a form of theatre, with frequent festivities and costumed balls as seen in the photographs of the Roussel family in fancy dress. This society made Roussel aware that social relationships were a form of representation, while his homosexuality led him to distance himself from society, progressively dedicating his entire life to his literary work.
It was above all to channel an unstoppable imagination that Roussel wrote some of his books by resorting to a “very special procedure”, based on combinations of homophonic words and expressions with double meanings. The path traveled between these words, deliberately situated at the beginning and end of a text, provided Roussel with a framework for his writing and inexhaustible material in the form of unexpected images and narratives in which citation and invention are inseparable.
Although it took him a long time to realize it, Roussel won an enthusiastic following during his lifetime among generations of artists and poets. Marcel Duchamp, who, along with Guillaume Apollinaire and Francis Picabia, attended his Impressions d’Afrique at the theatre in 1912, never forgot the experience, and cited it as the main origin of his Grand Verre. For the Surrealists, Roussel was the writer who accomplished “the evasion from the sphere of Reality to that of the Concept” (Michel Leiris).
After a period of neglect, Roussel’s work attracted new interest in the 1960s, especially after the investigations of Michel Foucault and the Collège de ‘Pataphysique. Roussel, who took great care to give as little information as possible about his life, is for many the model of an artist at the heart of the labyrinth of his own work. After the appearance of a set of archives in the late 1980s, we can now shed new light on the oeuvre of Raymond Roussel. This exhibition gathers together never-before-seen documents, paraphernalia, and photographs related to his life and work.
The exhibition begins with publications and documents related to the artistic influences on Raymond Roussel from his early years on, together with his childhood portrait commissioned in 1882 by his mother from the society-painter Madeleine Lemaire, who is now best known for her illustrations in the first book published by Marcel Proust, Les plaisirs et les jours. Marguerite Roussel played a very important role in her son’s life. The 1912 auction catalogue “Collection Roussel” from the auctioning of Marguerite Roussel’s spectacular art collection after her death, document the social and aesthetic context of Roussel’s family. This helps account for Roussel’s classical taste and why he considered himself a conventional writer. Editions of every book Roussel published in his lifetime are included in the exhibition, as well as documentation material from the stage adaptations of his books which made Roussel notorious in the 1920s.
A watercolor from the funeral company Lecreux Frères from 1931, together with sketches and correspondence on this, describes the eccentric plan that Roussel had for his own grave in the Parisian cemetery Père Lachaise.Manuscript pages from How I Wrote Certain of My Books, the 1935 posthumously published key text for understanding Roussel’s writing technique (or the artists work), are on view for the first time here. A set of photographs taken by Raymond Roussel throughout his lifetime are here printed for the first time. They show the Roussel family at home, on holiday, in private and social situations. These photos evince Roussels obsession with scrutinizing minor, trivial details.
Part of the exhibition is dedicated to the very special reception and relationship Roussel’s work had with Marcel Duchamp and the Surrealists. Commissioned by Harald Szeeman for his exhibition The Bachelor Machines at Kunsthalle Bern (1975), two works by Jacques Carelman - Le Diamant and La Hie - are sculptural interpretations made after descriptions from Roussels book Locus Solus.
The exhibition material in this show has been assembled by François Piron, the curator of the exhibition, together with Daniel Buchholz and Christopher Müller.
We would like to thank the Fonds Raymond Roussel in the Bibliothèque Nationale de France, Caroline Caradec, Patrick Besnier, Claude de Flers, the Estate of Jacques Carelman, Michael Trier and Dr. Reiner Speck.
Raymond Roussel
“The President of the Republic of Dreams” curated by François Piron
installation view Galerie Buchholz, Berlin 2013
Raymond Roussel
“The President of the Republic of Dreams” curated by François Piron
installation view Galerie Buchholz, Berlin 2013
Raymond Roussel
“The President of the Republic of Dreams” curated by François Piron
installation view Galerie Buchholz, Berlin 2013
Raymond Roussel
“The President of the Republic of Dreams” curated by François Piron
installation view Galerie Buchholz, Berlin 2013
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“The President of the Republic of Dreams” curated by François Piron
installation view Galerie Buchholz, Berlin 2013
Raymond Roussel
“The President of the Republic of Dreams” curated by François Piron
installation view Galerie Buchholz, Berlin 2013
Raymond Roussel
“The President of the Republic of Dreams” curated by François Piron
installation view Galerie Buchholz, Berlin 2013
Raymond Roussel
“The President of the Republic of Dreams” curated by François Piron
installation view Galerie Buchholz, Berlin 2013
Raymond Roussel
“The President of the Republic of Dreams” curated by François Piron
installation view Galerie Buchholz, Berlin 2013
Raymond Roussel
“The President of the Republic of Dreams” curated by François Piron
installation view Galerie Buchholz, Berlin 2013
“Raymond Roussel’s mother Marguerite and his nephew, Robert de Breteuil on the beach in Dieppe, Normandy”, ca. 1900
b/w photograph
“Raymond Roussel’s mother Marguerite and sister Germaine, with her first son Robert de Breteuil on the beach in Dieppe, Normandy”, ca. 1900
b/w photograph
Raymond Roussel
“The President of the Republic of Dreams”
curated by François Piron
installation view Galerie Buchholz, Berlin 2013
Raymond Roussel
“Photograph taken by Raymond Roussel while travelling in Tahiti”, 1920
b/w photograph
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curated by François Piron
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“The President of the Republic of Dreams”
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installation view Galerie Buchholz, Berlin 2013
Lecreux Frères
“Sketch of a unrealized tombstone for Raymond Roussel at Père-Lachaise cemetery”, ca. 1932
watercolor on paper
63 x 52,5 cm
Raymond Roussel
“The President of the Republic of Dreams”
curated by François Piron
installation view Galerie Buchholz, Berlin 2013
“Letter from the Grande Chancelliere de La Légion D’Honneur”, Paris, November 30th, 1966
typewriter, ink on paper
27 x 21 cm
Raymond Roussel
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curated by François Piron
installation view Galerie Buchholz, Berlin 2013
Raymond Roussel
“The President of the Republic of Dreams”
curated by François Piron
installation view Galerie Buchholz, Berlin 2013
Jacques Carelman
“Le Diamant”, 1976
metal, plastic, perspex, resin, electric motor, lamps
ca. 270 x 280 x 220 cm
Raymond Roussel
“The President of the Republic of Dreams”
curated by François Piron
installation view Galerie Buchholz, Berlin 2013
Raymond Roussel
“The President of the Republic of Dreams”
curated by François Piron
installation view Galerie Buchholz, Berlin 2013
Raymond Roussel
“The President of the Republic of Dreams”
curated by François Piron
installation view Galerie Buchholz, Berlin 2013
Marcel Duchamp
“a l’infinitif. the typosophic society. in the infinitive”, 1966
perspex, plastic
33,2 x 28,5 x 4 cm
Marcel Duchamp
“a l’infinitif. the typosophic society. in the infinitive”, 1966
perspex, plastic
33,2 x 28,5 x 4 cm
Marcel Duchamp
“Fumée de Cigare” 1967
exhibition poster, Paris, Gallery Givaudan, 1967
photolithography
78 x 57 cm
Raymond Roussel
“The President of the Republic of Dreams”
curated by François Piron
installation view Galerie Buchholz, Berlin 2013
Raymond Roussel
“The President of the Republic of Dreams”
curated by François Piron
installation view Galerie Buchholz, Berlin 2013
Raymond Roussel
“The President of the Republic of Dreams”
curated by François Piron
installation view Galerie Buchholz, Berlin 2013
Raymond Roussel
“The President of the Republic of Dreams”
curated by François Piron
installation view Galerie Buchholz, Berlin 2013
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installation view Galerie Buchholz, Berlin 2013